Hier möffts wie im Puff

 

Ich telefoniere jeden Abend mit meiner Freundin – unsere Beziehung ist nun einmal eine ferne, so dass wir großen Wert darauf legen, wenigstens jeden Tag ein kleines bisschen voneinander zu hören.

 

Vorgestern habe ich Ines erzählt, dass es bei mir riecht wie im Puff. Das machte Ines natürlich neugierig, so dass ich ihr von meinem Streifzug durch die inzwischen sehr bescheidene Parfümerie im Kaufhof an der Hauptwache erzählte. Ich gehe seit einigen Jahren wegen meiner progredienten Soziopathie (hierzu verweise ich gern auf die heute in der Bahn beobachtete Kaugummi schmatzende Hackfresse) äußerst ungern shoppen. Am Mittwoch hielt ich das aber für notwendig, weil ich schon seit längerem auf der Suche nach einem Duft bin, den ich sehr mag, dessen Namen bzw. Label ich aber vergessen habe. Es ist ein sehr frischer Duft, ein klein wenig zitrisch, ein bisschen herb, ein klein wenig Aquarius (When the moon is in the 7th house and Jupiter aligns with Mars, then peace will guide the planets and love will stear the stars. This is the dawning of the age of Aquarius… ups, ich olle Hippietante schweife ab…)  

  

So ein Duft ist online schwer zu erkennen und so schritt ich zum Äußersten - ich betrat ein Kaufhaus. Und fand dort zunächst keine Pappduftträger. So besprühte ich mein rechtes Handgelenk mit Chanel Eau fraîche (duftet fein, ist aber unerhört teuer) und das linke mit Acqa di Gioia von Giorgio Armani  (auch nicht schlecht). Danach möffte ich im Kaufhof mit allerlei anderen Duftwässerchen rum, besprühte nun aber die dann doch noch irgendwo gefundenen Pappträger, leider auch versehentlich mit süßlichen, schweren Düften, die ich ganz und gar nicht mag.  Das Ende vom Lied war, dass ich vom Angebot enttäuscht „meinen“ Duft nicht identifizieren konnte, außerdem unterzuckert war und schlechte Laune bekam. Ein klare Indikation zum sofortigen Rückzug.

  

Gestern nach der Arbeit wollte ich es dann aber wissen und schritt schon wieder zum Äußersten. Dieses Mal beehrte ich Karstadt auf der Zeil mit der Option, notfalls auch noch bei Douglas einreiten zu können. Die Parfümerie bei Karstadt entsprach noch meinen Vorstellungen, auch wenn ich das Kenzo-Regal nicht finden konnte. Dafür standen überall Sales Girls mit schweren Gesichtern (zu viel Eigenwerbung in dasselbe geklatscht) herum und fragten mich gelangweilt, ob sie mir behilflich sein könnten. Dass das aussichtslos sein würde, hatte ihnen schon mein wieder einmal wenig damenhaftes Outfit (Jeans, Rucksack, bequeme Schuhe, leichtes Gesicht, gewesene Frisur) verraten. Immerhin trug ich nicht den von Ines so bezeichneten und von uns beiden sehr geschätzten Kelly-Family-Altklamotten-Look mit wehenden Röcken und viel Wolle drumherum drapiert. Ich lehnte also sämtliche Hilfsangebote mit ausgestrecktem Mittelfinger in der Jackentasche höflich ab und roch mich um. Besser als im Kaufhof, das auf jeden Fall. Zwei leichte Düfte von Jil Sander fand ich schon einmal gar nicht schlecht. Sie durften meine Handgelenke benetzen.

 

Ansonsten benutzte ich Duftträger, für die es allerdings in diesem Hause keine Entsorgungsmöglichkeiten gab. Also dekorierte ich mit den benutzten Stinkpappen kreativ die Glasregale, um die schwere Last der Langeweile von den zarten Schultern des geschulten Fachpersonals zu nehmen. „Mein“ Duft war auch hier nicht zu finden. Ich hatte ja Kenzo im Verdacht, aber der schwänzte im Kaufhof offensichtlich oder hielt sich vor meiner Übergriffigkeit versteckt. Schließlich beschnupperte mein ohnehin kaum noch brauchbares Näschen nochmals meine Handgelenke zum Vergleich und beschloss, dass die Basisnote vom spochtlichen Jil-Sander-Produkt für meinen Geschmack zu süßlich war, dagegen Evergreen noch immer frisch imponierte. Meine Kaufentscheidung stand fest – wenn schon Shoppen, dann mit Beute. Eine für dieses Ansinnen nützliche Kasse war jedoch nirgends zu finden, so dass ich das Hilfsangebot einer Verkäuferin dieses Mal annahm. Sie führte mich zu der für mein Produkt zuständigen Mitarbeiterin, die sich hinter Pappwänden verschanzt und hier auch ihre Kasse in Sicherheit gebracht hatte. Immerhin war sie freundlich und wollte wissen, ob ich denn eine Kundenkarte hätte. „Nein, SO etwas habe ich nicht!“, antwortete ich bestimmt. Sie suchte in einer Schublade herum und mir lag schon auf der Zunge „Und SO etwas will ich auch nicht“, zu sagen, als sie fast schon mitleidig fragte: „Und Sie haben wirklich überhaupt keine Kundenkarte?“ „Nein, gar keine“, wimmerte ich verhalten. Daraufhin scannte sie ein Etikett, was mir einen satten Rabatt von 4,50 Öckern einbrachte. Wahrscheinlich der Mitleidsbonus – wenn eine entfernte Verwandte des Kelly-Clans schon mal unterwegs in der großen Stadt war…

 

 

Da ich darum gebeten hatte, das Immergrün als Geschenk (für mich selbst!) einzupacken, bat mich die freundliche Verkäuferin, auf die andere Seite der Kasse zu kommen, wahrscheinlich, damit ich dort nicht länger im Weg rumstand. Frohlockend folgte ich ihrer Bitte und rempelte dabei einen werbenden Pappkameraden mit meinem Rucksack an, der vor Schreck das auf ihm ruhende Duftgewässer auf den Boden warf. Ein Herr war so freundlich, mir den weiter weg gekullerten Verschluss des Flacons zu reichen. Das Eau de Toilette selbst war noch vollständig im abgestürzten Fläschchen untergebracht, wenigstens etwas. Ich verschloss den Flacon wieder, stellte ihn schnell zurück und tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich ja bald gehen dürfte und die nächsten drei Jahre bestimmt nicht wieder hier einkaufen würde. Etwas vorsichtiger  begab ich mich zu meiner Verkäuferin, während ihre Kolleginnen mit hochgezogenen künstlichen Augenbrauen hinter mir herräumten. Ich sehe gern zu, wie schöne Dinge kunstvoll verpackt werden und so lobte ich „meine“ Verkäuferin für ihr Ergebnis.  Sie freute sich offensichtlich darüber und lachte (erleichtert), als ich mich anschickte, mit meinem Eau de Parfum-Geschenk die Rolltreppe Richtung Hausboot zu besteigen.