Ein Sonntagabend in Dresden

 

Abends ausgehen? Das hat in den letzten sehr arbeitsreichen Monaten nicht mehr stattgefunden. Um meine allzu knapp bemessene freie Zeit haben sich Regeneration und Haushalt gestritten. Es gab keinen Sieger, beide kamen zu kurz. Umso willkommener waren drei Tage Freizeitausgleich zwecks Überstundenabbau in Leipzig mit dentalem AuaAuaSch***dreck bei Doc Palme, Gewandschneyderey bei Ines inkl. multiplen Rattenapplikationen für das Festival Mediaval  und schließlich einer wunderschönen musikalisch untermalten Märchenlesung in der Yenidze in Dresden: "Das purpurrote Segel" nach einer Geschichte von Alexander Grin mit Christian Mögel am Klavier und Bernd Pakosch als Erzähler, Sänger und Gitarrist. 

 

 

Der Mensch lebt nicht von Kultur allein und so ließ ich mich nur zu gern von Ines zu einem sehr leckeren Abendessen ebenfalls in der ehemaligen Tabakfabrik Yenidze einladen. Bereits hier waren die Aussichten auf Dresden grandios. Noch schicker jedoch war die Terrasse inkl. Sonnenuntergang.

 

Um kurz vor 20:00 Uhr bestiegen wir die einzigartige Kuppel und wurden von vielen Ventilatoren empfangen, denn kalt war's nicht (rumpentrumpiger Insider).  Und dann ließ ich mich nach und nach auf die Erzählung und die auf wunderbare Weise dazu passenden Songs und klassischen Stücke ein. Es dauerte ein wenig, denn es war schon sehr heiß in der Kuppel unter dem blauen Fallschirm; meine Gedanken gingen in alle möglichen auch klaustrophobischen Richtungen, bis mich die verträumte Atmosphäre in der Märchenkuppel, die Geschichte selbst, das virtuose Klavier- und Gitarrenspiel und nicht zuletzt die lebendige Erzählweise, die immer wieder fließend in mit wunderschöner Stimme intonierte DDR-Songs überging, in ihren Bann zogen und zutiefst berührten. 

Dem stressigen Alltagstrott zum Trotz  habe ich mich auf eine märchenhafte Reise zurück in die subjektiv so empfundene gute alte Zeit begeben können. Es war nach unzähligen Jahren wieder da, jenes Gefühl der Geborgenheit, weil in den Momenten  des gebannten  Zuhörens nur das Jetzt und Hier und dessen Genuss zählte. Ines und ich haben uns verzaubern lassen.

Wir kommen wieder.

 

 

Ich weiß nicht, ob es wirklich  notwendig ist, mit meinen Eindrücken von gestern Abend explizit  darauf hinzuweisen, dass Sachsen nicht nur rechtsradikal ist. Es ist schon schlimm genug, dass ich mir angewiderts  des erneut aufkeimenden Sachsen-Bashings diese Frage überhaupt stellen muss. Soviel steht jedoch fest:

Wer "sein antifaschistisches Mütchen an allen Sachsen kühlen"  möchte, verdirbt es sich mit mir. Die Auswahl an Feindbildern ist heute wahrlich groß genug, da muss man sich nicht zu Pauschalverurteilungen eines Bundeslandes hinreißen lassen. Rechte Besserwessis gibt es ebenfalls mehr als genug. Die vielen mutigen  Sachsen, die dem rechten Mob Widerstand leisten, verdienen unsere Aufmerksamkeit und Achtung, wobei die  rechten Wutbürger (nicht nur in Deutschland) keinesfalls ignoriert werden dürfen, sondern ihre menschenverachtende Gesinnung weiterhin entschlossen bekämpft werden muss. 

Auch ich bin linksversifft und das aus Überzeugung, dulde weder Faschismus, Rassismus, Fremdenhass noch Intoleranz Minderheiten gegenüber. Dazu gehört aber auch der Respekt vor  Menschen, die sich gegen fanatischen Hass zur Wehr setzen. 

 

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