Wenzel

Frankfurt - Chemnitz - Frankfurt in 32 Stunden. Meinen geplanten Dreieinhalbtageausflug inkl. Zahndoc Palme musste ich jobbedingt auf einen Intensivtrip zwecks "mit Ines zu Wenzel" komprimieren. Die Fahrt zum Mond hat sich gelohnt. Müde zwar, aber verklärt grinsend sitze ich heute zur Abwechslung mal nicht zwischen gutbürgerlichen Pauschaltouristen / gröhlenden Fußballfans / stockbesoffenen  JunggesellINNenabschiednehmern eingepfercht im ICE und freue mich sehr, in Chemnitz gewesen zu sein. 

 

 

"Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück,

Sieh, müd die Blätter schunkeln,

Wir drehn das Jahr noch nicht zurück,

Und sehn uns nur im Dunkeln.

Laß in dem Kommen, Bleiben, Gehen

Zertanzen uns die Schuh!

Ich will noch soviel Himmel sehn,

Und du, du lachst dazu."

 

Den Schluss dieses wunderschönen melancholischen Liedes habe ich nicht mehr aufgenommen, weil ich mein Feinsliebchen an dieser Stelle ganz fest in die Arme nehmen musste, um den heftigen  Gänsehautschauer gemeinsam durchzuschlottern. 

Wir haben zusammen  ein grandioses Konzert erlebt und ich schätze mich glücklich, Wenzel endlich auch live und im blau-weiß gestreiften Matrosenshirt erlebt zu haben. Liedermacher kenne und schätze ich seit meinem 12. Lebensjahr. Einen so vielseitigen und abwechslungsreichen  hatte ich bis gestern aber noch nicht in meiner Raupensammlung. Poesie, Melancholie und bevor das Ganze zu gefühlvoll wird ein kräftiger sarkastischer Seitenhieb. Einfühlsamer Clown, zynischer Kabarettist, multiinstrumentaler Sänger mit genialer  Band. Über Wenzels Albereien lachend haben wir uns nur wenige Augenblicke später in leibgeschneiderte Gänsehaut gehüllt und Tränen in den Augen gehabt.

 

 

Es war schön in Chemnitz, nachdem wir unter relativem Zeitdruck zunächst das ferkerte Gotteshaus in der Markusstraße geentert und uns über die dort spielende sakrale Vorband gewundert hatten. 

 

In der richtigen Kirche haben wir uns gleich wohlgefühlt. Freundliche Menschen schenkten leckere Getränke für sehr kleines Geld aus. Als ich mich in der Pause genauer umsah, fühlte ich mich als Gast aus Frankfurt wohlgemerkt am Main willkommen inmitten von den Bürgerrechtlern, die vor dreißig Jahren verantwortlich für eine friedliche Revolution waren.  

 

Ein gelungener Abend mit Wenzel, der geradezu nach Wiederholung schreit. Nur zu gern würde ich heute Abend mit Ines in Connewitz ins Werk II gehen, um angemessen bei Wenzel und Band abzutanzen - in der Kirche gestern Abend war es nahezu unmöglich, ruhig sitzen zu bleiben...