Venezia andata e ritorno -

un viaggio sull'acceleratore notturno

 

 

Venedig hin und zurück - eine "Reise im nächtlichen Zeitraffer" umschreibt unser viel zu kurzes Abenteuer in Venedig sehr treffend. Ursprünglich geplant war folgendes: Anreise mit dem Nachtzug Samstagabend, 22. Februar 2020 ab München, Ankunft Venedig Sonntag früh um 08:30 Uhr, Venedig inhalieren und genießen bis Donnerstagabend, 21 Uhr, bevor wir wieder den Nachtzug geentert hätten. Also heute in genau 12 Stunden.

 

Tatsächlich haben wir Virus sei Dank Venedig bereits nach 23 viel zu kurzen Stunden mit dem Flugzeug fluchtartig verlassen und sind 24 h nach unserer Ankunft am Montag schon wieder in Ffm gelandet. Am Sonntag wurde der Karneval in Venedig von den Behörden wegen Corona für beendet erklärt und Sonntagnacht hatte Österreich wegen zwei Fiebernden im Nachtzug den Zugverkehr am Brenner bis auf weiteres gesperrt. Das und die hysterischen Maßnahmen im Veneto  wegen der gehäuften Corona-Fälle dort, die wir im italienischen  Fernsehen mitbekommen hatten,   bewogen uns noch vor Mitternacht, Flüge zu buchen, bevor es zu spät für eine Ausreise sein würde. Wir wollten weder in Venedig im Hotel noch in Österreich noch in München unter Quarantäne gestellt werden. 

Ein sehr abruptes und trauriges Ende einer wunderschönen Reise. Venedig hat mich in den wenigen Stunden zutiefst berührt. Dennoch war das die richtige Entscheidung.

Unser Vorgehen war zweifelsohne richtig - dennoch hätten wir beide diese fünf Tage Ausstieg aus unseren stressigen Alltagen und den Genuss der venezianischen Morbidität so sehr gebraucht. Die letzten Wochen hat uns beide die Vorfreude auf Venedig durchhalten lassen. Das abrupte und traurige Ende dieser wunderschönen Reise tut weh und lässt sich nicht mit "schönen" Unternehmungen in Frankfurt oder Leipzig kompensieren.

 

Uns kann niemand die berührenden Eindrücke und Erlebnisse vom Sonntag nehmen - auch wenn im Verlauf des Nachmittags das Bedrohliche in Form von Zeitungsmeldungen und hysterischer Berichterstattung im italienischen Fernsehen näher rückte. Wir hatten beschlossen, am Montagmorgen die Situation neu zu evaluieren, zogen uns in unser wunderschönes Klosterhotel mitten in der Stadt zurück, dümpelten noch ein wenig auf den bequemen Betten herum und machten schon gegen 19:00 Uhr das Licht aus...

 

Gegen 22:30 weckte mich ein fieser Krampf im Bein, der sich im Liegen nicht lösen ließ. Ich lief im Zimmer herum, freute mich unglaublich darauf, bald weiter zu schlafen, um mich am Montag ausgeruht von Venedig erobern zu lassen... Auf der Bettkante las ich dann eine besorgte Nachricht meiner Kollegin Sabine. Ines wurde wach, fragte mich, was denn los sei. Ich beruhigte sie, sagte ihr, dass ich mich gleich auch wieder hinlegen würde. In diesem Moment rief mich mein Filius Benni, der Lokführer, an und erzählte mir, das Österreich den Zugverkehr zurück nach Deutschland am Brenner unterbrochen hatte. Wir redeten lange und sehr ernsthaft miteinander. In mir brüllte alles "NEIN, wir bleiben hier, ich will noch nicht wieder zurück!!!" Ich versuchte, Bennis Sorge, dass wir uns anstecken könnten, zu relativieren. Wir erwogen Möglichkeiten, wie wir im Notfall - wenn unser Nachtzug nicht fahren würde - eventuell früher nach Hause kommen könnten und ich versprach Benni, dass wir keine unnötigen Risiken eingehen würden. Nur zögernd ließ er sich darauf ein, das Gespräch zu beenden...

 

Danach war an Schlaf nicht mehr zu denken.

 

Sicher - uns ist (bisher) nichts Schlimmes passiert, wir sind sehr schnell und heile wieder zu Hause angekommen. Dennoch - die Realität hat uns vorzeitig wieder in ihren Klauen. Unser wahr gewordener Traum endete brutal und viel zu früh. Wir fühlen uns um wunderschöne Stimmungen im Nebel, pastellfarbene Melancholie, Spaziergänge mitten in der Nacht durch unheimliche Gassen, die Friedhofsinsel, das jüdische Ghetto, die Synagogen, den Duft der Vergänglichkeit an den Kanälen, das lautlose Gleiten der Gondeln, die Stille abseits der Menschenmassen, Perlmutt-Palazzi, die von längst vergangenen, prachtvollen Zeiten erzählen, die liebenswerte Freundlichkeit der Venezianer, die uns unterstützten, wo sie nur konnten, ihre Herzlichkeit mir gegenüber, als ich mich in ihrer Sprache versuchte und unbedingt so schnell wie möglich so viele Vokabeln, wie nur in meinen Kopf hineinpassten, zu behalten und anzuwenden, betrogen...

Sicher gibt es viel, viel Schlimmeres auf dieser Welt. Aber ich nehme mir das Recht, traurig sein zu dürfen.

 

Unserer vorzeitigen Flucht zum Trotz hatte Venedig in den wenigen unbeschwerten Stunden im Nebel Zeit genug, mich zu überwältigen. Es war mein erster Besuch in dieser Stadt. Bisher hatten mich die Klischees und die Tatsache, dass diese Stadt im Frühjahr und Sommer an Massentourismus und Kreuzschiffen erstickt, erfolgreich von einer solchen Reise abgehalten, bis Ines mir schon vor ein paar Jahren erzählte, dass sie Anfang der 90er Jahre mit ihrer Mutter Venedig im Winter erlebt hatte. Zwei Tage Karneval, zwei Tage winterliche Ruhe. Das hatte mich fasziniert und so planten wir schon lange, das einmal zusammen zu erleben... 

 

Mein erster Blick aus dem Bahnhof Santa Lucia - so und nicht anders wollte ich Venedig erleben. 

 

Venezianer unter sich am Sonntagmorgen

Zu verlockend, um die Ecken zu gucken, winzige Gässchen zu verfolgen, sich zwischen Kanälen, Brücken, morbiden Palazzi hemmungslos zu verlaufen und verzaubern zu lassen...

Brückenyoga :-)

Mimosen, von der Richtigen entdeckt...

Kleine Kostbarkeiten in stillen Gässchen

Noch war der Karneval nicht vorbei...

Ein Café latte weckt Beklommenheit...

Fast von Touristen gesprengt - der Markus-Platz war für mich unerträglich voll, so dass ich den Blick gen Himmel wenden musste...

Endlich am Canale Grande - mit dem Massentourismus im Rücken atmete ich auf und freute mich sehr über Ines' gute Idee, den Rückweg auf dem Wasserweg mit dem Vaporetto zu bestreiten. Beim Schlangestehen zwecks Ticketkauf teilte mir mein Handy mit, dass der Karneval in Venedig wegen des Corona-Virus schon am Sonntag vorzeitig enden würde. Die Bekommenheit wuchs... 

Nicht nur die Pest geht um...

Venedig vom Wasser aus zu erleben intensiviert den morbiden Genuss

Hier und jetzt wollte ich sein - unglaublich müde, glücklich, melancholisch, ein wenig beklommen, verzaubert und voller Vorfreude auf die kommenden Tage...

Unser Hotel unweit des Bahnhofes Santa Lucia im Zentrum ist ein ehemaliges Kloster. Wunderschön ausgestattet und eingerichtet, herrlich altmodisch, mit unglaublich bequemen Betten in unserem Zimmer und ausreichend Platz für uns beide. Wir freuten uns nach dem doch recht beengten Nachtzugabenteuer unsagbar auf eine lange, erholsame Nacht, ein Frühstück und noch viel, viel mehr Venedig während der nächsten Tage... 

Es will Abend werden in unserem Klosterrefugium. Uns fallen schon gegen 19 Uhr die Augen zu und wir schlafen neuen Abenteuern  entgegen...

...die schließlich zu diesem "Themenfrühstück" in Frankfurt führten. Venedig sehen und erben*  - ganz viel Melancholie, Sehnsucht, möglichst bald zurück zu dürfen, Erleichterung, nicht unter Quarantäne gestellt worden zu sein... Daher ein Gondoliero und ein Tourist als Eierwächter, eine Gondel aus Chicorée, die Blaubeertrauer trägt und eine leckere italienische Flagge. 

 

Arreviderci, Venezia - auf ein baldiges Wiedersehen im nächsten Winter. 

 

 

 

*(Danke Silke K-B :-) !)