Schutzflügel

 

Heute früh um kurz nach 7:00 Uhr bei schlottrigen Minusgraden musste ich unbedingt einen lang gehegten Wunsch in die Tat umsetzen.

 

 

Tschüss, Frankfurt!
Tschüss, Frankfurt!

 

 

Seit fast 14 Monaten fahre ich fast jeden Tag mit der Bahn am Friedhof in Niederhöchstadt (kurz vor Schwalbach) vorbei und habe nur Sekundenbruchteile Zeit, ihn zu finden - meinen Schutzengel. Vor einem Jahr, als mein kleiner rothaariger Kater Joschij über Wochen ernsthaft krank war und fast gestorben wäre, verließ ich früh morgens oft genug meine Wohnung und wusste nicht, ob ich mein immer weniger werdendes Katerchen, das kaum noch Luft bekam, abends lebendig wiedersehen würde. Oft genug konnte ich in der Bahn die Tränen kaum zurückhalten, hatte mich in den wenigen Sekunden, die ich "meinen" Engel sehen konnte, danach gesehnt, dass er seine großen weißen Flügel um Joschij legt und uns beschützt. Dieser kurze Augen-Blick mit dem Engel hatte etwas  Tröstliches.

 

Joschij ist wieder gesund geworden - und ich halte mich noch immer beim Vorbeifahren an meinem Engel fest, denn irgendeine Kacke, die mich verunsichert, ist fast immer am Dampfen.

 

Ich habe mir schon oft gewünscht, meinen Schutzengel einmal zu besuchen, ihn im Morgenlicht zu fotografieren. Heute früh im Morgengrauen habe ich mir kurz entschlossen Herman, mein treues Ratt, geschnappt und bin mit ihm in der S-Bahn zum Friedhof nach Niederhöchstadt gefahren... 

 

 

 

Es berührt mich sehr, dass diese weiße Engelfrau auf dem Grab einer Tierärztin steht, die sehr jung verstorben ist. Ich bin froh, dass ich ihre Ruhestätte und unsere Schutzflügel heute besucht habe.

 

Als ich schließlich zu meinem artig vor dem Friedhof wartenden Ratt Herman zurückkehrte, fragte dieser mich unternehmungslustig nach meinen weiteren Plänen. Er wirkte wild entschlossen, ohne die unnütze Unterstützung der S-Bahn wieder nach Hause zu gelangen. "Echt jetzt?", fragte ich ihn, denn es war noch immer schlotterkalt und außerdem bekam ich langsam Appetit auf ein ordentliches Frühstück und das bitte in naher Zukunft. "Stell dich nicht so an", kicherte Herman, "du musst dringend lüften und ein bisschen Sonne auf dem Hirn schadet dir auch nicht. Dick genuch biste sowieso. ZickZack, wir fahren selber!"

Das letzte Mal, als ich hier entlang radelte, war es 30°C wärmer :-)
Das letzte Mal, als ich hier entlang radelte, war es 30°C wärmer :-)
Mümmelfritzen beim bofrost-Frühstück
Mümmelfritzen beim bofrost-Frühstück

 

Natürlich habe ich auch heute wieder Teile meines allerliebsten Safari-Radwegs genutzt. Die Sonne schien leicht vernebelt auf frostige Felder und Wiesen und es dauerte einige Zeit, bis sie es schaffte, die Landschaft wieder aufzutauen. Es war eine  märchenhafte Noch-Winterstimmung. Aus Gründen habe ich nicht so oft wie sonst angehalten, um zu fotografieren, denn im Gegensatz zu meiner letzten Fahrt auf dieser Strecke Ende September schwitzte ich heute früh nicht ganz so doll. 

 

Auf diese Weise habe ich sehr schnell die Nidda erreicht und bin ihrem Lauf flüsschenaufwärts ein Stück gefolgt, bis ich die Safari-Streckenführung verließ, um die Angelegenheit ein wenig abzukürzen. Es war schon verdammt kalt und so folgte ich Schildern Richtung Messe/Hbf. Am Opelrondell war ich dieses Mal klüger als beim letzten Versuch und schwebte nicht wieder auf Hauptverkehrsstraßen in Lebensgefahr, sondern fuhr gemütlich durch Frankfurt-West und Bockenheim, bevor ich das Westend und kurz danach das Bahnhofsviertel erreichte. 

 

 

Mein Tor nach Sachsenhausen
Mein Tor nach Sachsenhausen

 

Auf dem Holbeinsteg zeigte sich, dass mein linker Fuß komplett eingefroren und taub war und so reanimierte ich ihn in kleinen Schritten, bis ich wieder zu Hause in Dribbdebach war.

 

Vielleicht wäre es im Hinblick auf die Temperaturen sinnvoller gewesen, diesen Ausflug erst um diese Zeit (10:20 Uhr) zu beginnen - aber das kann ja jeder :-D